DB Mobil
Florian Silbereisen beherrscht den großen Auftritt. Seine Sanstagabenshows in der ARD sehen Millionen Menschen, von einen Schlagerfest zum nächtsten scheinen es imer mehr zu werden. Vor allem zunehmend jüngere Zuschauer finden es gut, wen der 35-Jährige an Seilen durch Arenen fliegt, singt und in irrwitzigen Kostümen tanzt, Harmonika spielt und plaudert. Dauerlächelnd und von Dutzenden Kameras sowie Hunderten Smartphones gefilmt.
Im Fotostudio in Münchens Osten hängt Gentleman Garderobe bereit, Silbereisen, mit lässigem Dreitage-bart, erwartet das große Fest des DB MOBIL-Fotografen, sein erstes großes Modeshooting für ein Magazin, nicht die schnellen Schüsse in Alltagskluft oder Bühnengarderobe wie sonst. Er macht begeistert mit, als der Fotograf ihn bittet, sich ein mit Wasser gefülltes Stuntglas (das übrigens aus Zucker besteht_ gegen den Kopf zu schlagen. Super! Danke. Silbereisen ist eben mehr als Schagerstar und Moderator. Er ist eines der großen Showtalente in Deutschland. Viele schauen ihm gern bei der Arbeit zu. Ebenso viele brint er gehörig auf die Palme. Popularität hat Schattenseiten. Auch um diese soll es im Interview gehen.
Der Niederbayer denkt viel darüber nach, was er sagt. Seine Erfahrung lehrt ihn: Jeder Satz kann einen Tsunami auf dem Boulevard auslösen. Raubt einem das nicht den letzten Nerv? Beginnen wir doch gleich mal mit einer Spielverderber-Frage.
Herr Silbereisen, als Hape Kerkeling 1985 seun erstes Interview gab, sagte ihm der Regisseur seiner
damaligen Sendung: “Du musst eigentlich nur eins wissen, und daran denkst du bei jedem Interview, egal, wer dir gegenübersitzt. Denk immer: Dieser Journalist ist das größte Dreckschwein, das mir je begegnet ist. Dann ist alles okay.” Ist dieser Ratschlag realistisch?
Nein, er hat natürlich nicht recht. Allerdings nervt es schon sehr, wenn mir selbst Journalisten von seriösen Magazinen vorab sagen: “Herr Silbereisen, Überschift und Text stehen schon. Wir brauchen von Ihnen eigentlich nur noch ein paar passende Zitate.” Ein als ganz besonders seriös geltendes Magazin hat mal eine mehrseitige Reportage über mich veröffentlicht, in der der Eindruck erweckt wurde, der Journalist hätte mich mehrere Tage lang begleitet und mit mir gesprochen. Beides war nicht der Fall.
Schert es Sie, was an Klasch und Tratsch über Sie im Umlauf ist?
An Tankstellen oder Supermarktkassen wird mir manchmal schwindlig, wenn ich auf den Titelseiten sehe, welche Seelenqualen ich mal wieder durchlebt haben soll. Jede Woche erscheinen Dutzende Klatschblätter mit neuen Dramen über mich. Meist ist es Gott sei Dank aber so, dass meine Trennung in dem einen Blatt durch meine Hochzeit in dem andere Blatt wieder aufgehoben wird. Oft stehen die beiden Blätter sogar nebeneinander im Regal. Wenn es allerdings allzu bunt wird oder wenn Freunde oder Familienmitglieder mit reingezogen werden, muss der Jurist ran.
Was war die absurdeste Unwahrheit, die Sie je über sich gelesen haben?
Mir wurde von einer Zeitschrift ein Liebesverhältnis mit Mireille Mathieu unterstellt. Dass ich den Aufwand vermieden habe, gegen dieses Märchen medienrechtlich vorzugehen, wurde mir als Bestätigung ausgelegt. Es kommt auch vor, das Journalisten Situationen inszenieren, die dann aus einem Versteck fotografiert werden. Ich habe sogar schon erlebt, dass sie Menschen in Polizeiuniformen auftreten lassen, um besonders interessant aussehende Fotos zu bekommen.
Stars stehen unter Dauerbeobaachtung. Stimmt es, dass Boulevardjournalisten Ihre Mülltonne durchsucht haben in der Hoffnung, Verfängliches zu finden?
Nicht nur die Mülltonne. Auch meine Garage wurde mehrfach genauestens inspiziert. Es wirde durch die Fenster in meine Wohnung hineinfotografiert und so weiter und so fort.
Schreddern Sie seither private Dinge, bevor sie im Müll landen?
Nein. Mit so einer pessimistischen Grundhaltung könnte ich nicht leben. Ich bin anders erzogen worden und gehe immer wieder offen auf jeden Menschen zu – und optimistisch in fast jede Situation.
Im Magazine “In” erzählte eine junge Frau: “Unter Schlager-Groupies ist Florian eine echte Trophäe. Denn jede von uns will Überfrau Helene den Freund ausspannen – sei es nur für eine Nacht oder ein paar Stunden.” Was war die dreisteste Groupie-Anmache, die Sie je erlebt haben?
Besonders dreist finde ich Groupies immer dann, wenn sie bezahlt werden under der Fotograf schon wartend hinter einer Säule lauert oder im Gebüsch liegt.
Mit “Schlagerbooom” moderiert Sie eine der erfolgreichsten TV-Shows 2016, kurz darauf gewannen Sie den Bambi in der Kategorie Fernsehen. Welches was das intensivere Erlebnis?
Beim “Schlagerbooom” haben mehr als 10.000 Menschen in der Halle über drei Stunden den Schlager gefeiert. Das war sehr intensiv. Auf der Bühne hat mich “Bunte”-Herausgebering Patricia Riekel überrascht under verraten, das ich den Bambi erhalten soll. Insofern über den Bambi un den “Schlagerbooom” am selben Abend gefreut.
Bei “Schlagerbooom” schienen Sie der umjubelte Flori zu sein. Beim Bambi die Medienfigur Silbereisen, für manchen im Saal gar das Feindbild, das für weichgespülte Musik steht. Nicht wenige rollten bei der Verleihu
ng des Prises an Sie die Augen.
Die Begeisterung beim “Schlagerbooom” konnte niemand übersehen. Sollte es beim Bambi so gewesen sein, wie Sie es beschreiben, dann habe ich es definitiv nicht mitbekommen. Aber gehört es bei Preisverleihungen nicht irgendwie dazu, dass so mancher, der im Publikum sitzt und noch nie ausgezeichnet wurde, sich fragt: Warum der und nicht ich?
Nimmt Sie bei solchen Galas auch mal ein Rock – oder Rapmusiker zur Seite und sagt: “Öffentlich würde ich das nicht zugeben, aber du machst das super”?
Viele dieser Kollegen habem erfreulicherweise keine Angst, auch öffentlich mit Schlager in Verbindun zu stehen. Der Graf von Unheilig schreibt für Bernhard Brink, Sido für Beatrice Egli,. Bushidi hat schon vor Jahren ein Duett mit Karel Gott aufgenommen.
In Ihrer Laudatio machten Sie Ihrer Lebensgefährtin Helene Fischer eine Liebeserklärung. Wat hat Sie dazu bewogen?
Iche mich einfach gefreut, dass sie mich an diesem Abend begleiten konnte.
Ging es auch darum, Gerüchte zu zerstreuen? Etwa, dass Sie eine Scheinbeziehung führen, um Ihren Marktwert zu steigern oder eine Homosexualität zu verbergen?
Ich staune immer wieder, mit wie viel Klatsch und Trash sich Journalisten heutzutage beschäftigen.
In welchem Alter haben Sie erstmals gespürt: Ich bin ein Star?
Auf dieses Gefühl warte ich noch. Im Ernst: Mein Leben findet ja nicht auf roten Teppichen statt. Nehmen Sie unsere über drei Stunden lange Live-Eurovisionsshow am Samstagaben: Ich moderiere, singe die unterschiedlichsten Songs, muss in kürzerster Zeit Choreografien lernen und Stunts einstudieren. Das ist Arbeit! Wenn auch eine sher schöne Arbeit. Aber dabei fühlt nab sich wirklich nicht wie ein Star.
Nach fast 30 Jahren Bühnenerfahrung: Welche Berufsdeformationen beobachten Sie an sich?
Bei mir hat die lange Karriere eher dazu geführt, dass man sich davon befreit. Ein harmloses Beispiel: Wie viele meiner Kollegen bin ich abergläubisch. Früher hatte ich diverse Glücksbringer für alle möglichen Situationen. Deshalbe musste ich vor Beginn einer Show alles seine festgelegten Ablauf haben. Zum Glück konnte ich diese Marotten nach und nach ablegen. Heute
habe ich nur noch einen einzigen Glücksbringer – und der hat es sogar ins Museum geschafft. Meine rote Glücksunterhose, die ich in jeder Fernsheshow trage, hing für eine Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.
Wie fühlt es sich an, von Kindesbeinen an unablässig die Botschaft zu erhalten, etwas Besonderes und Tolles zu sein?
Das war bei mir nie der Fall. Wenn man in einer Familie mit vier älteren Geschwistern aufwächst, bekommt man regelmäßig gesagt, was man alles nicht kann.
Wer gibt Ihnen noch das Gefühl, klein zu sein?
Wenn ich für eine Tournee probe, lauern zwei Choreografen und ein Regisseur auf jeden noch so winzigen Fehler von mir. Denen ist völlig egal, ob ich Blasen an den Füßen habe oder Muskelkater. Wir wollen, dass wirklich alles perfekt zusammenpasst und dadurch besondere Auftritte entstehen, die berühren oder zum Mitfeiern einladen.
Die Sängerin Adel sagt: “Je größer die Karriere, desto kleiner das Leben.” Richtig?
Bei mir ist das definitiv nicht so. Für mich gibt es genügend Leben jenseits der Karriere. ich warte wie jeder andere auch in der Schlange vor der Supermarktkasse, und meine Erlebnisse beim Zusammenbauen eines Ikea-Schranks unterscheiden sich nicht von denen anderer Kunden.
Der Pop lebt von Aufstieg, Absturz und Wiederauferstehung seiner Stars. Geradlinige Karrieren gelten als völlig uninteressant und führen früher oder später in die Erfolglosigkeit. Warum ist das in der Volksmuzik- und Schlagerszene anders?
Wegen ihrer größeren Bekanntheit fallen bei internationalen Popstars die Abstürze mehr auf als bei nationalen Schlagerstars. Über die Länge einer Karriere entscheidet aber etwas anderes: Sie müssen den Mut haben, immer wieder Neues zu wagen. Und wenn das Neue wirklich neu ist, hat man anfangs gegen extrem viele Wilderstände zu kämpfen. Mit der Idee, die Band Klubbb3 zu gründen, konnten sich nur wenige anfreunden. Wir wollten Schlager singen ohne musikalische oder textlich Zugeständnisse an diejenigen, die Schlager nicht mögen oder viel zu ernst nehmen. Wir haben uns aber gegen den Wilderstand durchgesetzt und sind mit dem aktuellen Album auf Anhieb auf Platz eins der deutschen Charts gelandet.
Nach Weltkrieg und Konzentrationslagern herrschte in Deutschland bis in die 60er-Jahre die Sehnsucht nach heiler Welt. Hängt die Renaissance von Schlager und Volksmusik mit Bankenkrisen, Selbstmordattentätern und Millionen Flüchtlingen zusammen?
Schlager waren doch nicht nur in den 50er- und 60er- Jahren erfolgreich! In den 70er-Jahren, in der Hochzeit der “ZDF-Hitparade”, entstanden viele Schlager, die bis heite jeder kennt. In den 80er-Jahren begeisterte Nicole beim Grand Prix mit “Ein bisschen Frieden” ganz Europa. In den Neunzigern gab es den Boom der Volksmusik, und es begannen die Mega-Erfolge von Wolfgan Petry und Andrea Berg. Schlager und Volksmusik waren zu allen Zeiten beliebt. Nur der Blick der Medien auf diese Musik ändert sich immer mal wieder. Noch vor ein paar Jahren wurde bei der Fernsehübertragung des Echo die Preisverleihung an Andrea Berg herausgeschnitten. Inzwischen darf eine Schlagersängerin die Echo-Verleihung sogar moderieren. Das Image de Schlagers hat sich durch viele neue Künstler, neue Ideen, neue Texte, neue Sounds und eine neue Entertainment-Qualität geändert – nicht durch die Bankenkrise oder durch Flüchtlinge.
Wenn die Toten Hosen “Tage wie diese” anstimmen: Ist das Schlager?
Ja, klar! Damit ist den Toten Hosen ein echter Schlagerklassiker gelungen, der beim Oktoberfest von Tausen mitgesungen wird. Trotzdem sind die Toten Hosen natürlich keine Schlagerband.
In welcher Situation haben Sie “Atemlos durch die Nacht” das erste Mal gehört?
Der Produzent hat mir ein von ihm besungenes Demo vorgespielt.
Wussten Sie sofort, dass der Song durch die Decke geht, oder sind Profis vorsichtig, weil sie wissen, dass Erfolg nicht verhersehbar ist?
In dem Fall habe ich wirklich an einen Erfolg geblaubt, Oft liege ich aber völlig daneben. Ich bin kein strategisch denkender Visionär, der Karrieren plant oder Sendungen konzipiert. Ich habe noch nie an einer Redaktionssitzung teilgenommen. Ich philosophiere auch ungern über Musik und Shows. Ich stehe lieber auf der Bühne.
Journalisten denken aus Prinzip, dass Mensch und Rolle nicht identisch sind. Was weiß man von Ihnen nicht, was die Menschen erstaunen würde?
Ich kann nur mit Enthüllungen iwe dieser dienen: Ich habe vermutlich die größte Sammlun von Handyladegeräten. Da ich diese Dinger immer wieder in Hotels vergesse, muss ich mir auf Reisen notgedrungen neue kaufen. Da die Hotels mir die vergessenen Ladegeräte aber netterweise nach Hause schicken, werden es immer mehr. Das ist nicht so wirklich aufregend oder?
Die Yellow Press fiebert Traumschlagzeilen entgegen wie: “Florian Silbereisen ertränkt wehrlosen Welpen!” oder: “Helene Fischer mit Claus Kleber im Bett erwischt!” Spüren Sie die Erwartung, dass Ihr Bild Risse bekommen soll?
Mit jeder weiteren Frage, die Sie stellen, ist das so. Bitte an dieser Stelle einen Smiley einfügen.
Welches Problem werden Sie in diesem Leben nicht mehr in den Griff bekommen?
Unpünktlichkeit.
Sie sind 35. Nimmt Ihr Wissen über Frauen zu, oder wird die Frauenseele immer mehr zum Mysterium?
Mal so, mal so. Ich habe sicherlich im Laufe der Zeit einiges dazugelernt, aber warum viele Frauen so gerne shoppen gehen, wird für mich immer ein Rätsel bleiben.
Was würden Sie tun, wenn Sie für einen Tag eine Frau wären?
Dann würde ich vielleicht doch mal freiwillig shoppen gehen.